Jackie Thomae: Glück

Eingeführt von Adriana Rey

Ist Muttersein der Weg zum Glück, sogar der eigentliche Daseinszweck der Frau? Diese Sichtweise scheint hoffnungslos veraltet – aber dennoch fühlen sich Marie-Claire Sturm, erfolgreiche Radiomoderatorin, und Anahita Martini, Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, beide Ende 30, unter Zugzwang. Ist es die gesellschaftliche Erwartungshaltung, die trotz aller emanzipatorischer Errungenschaften fortbesteht? Oder kommt der Druck von innen, von einer «Fear of Missing out» – oder einem authentischen Wunsch nach Fortpflanzung? Jackie Thomaes Protagonistinnen setzen sich in diesem vielschichtigen, erfrischend erzählten Roman mit der Frage auseinander, was ihre weibliche Identität ausmacht in einer Welt, die zahlreiche widersprüchliche Forderungen an sie stellt.

Die Journalistin und Fernsehautorin Jackie Thomae, geboren 1972 in Halle, ist Autorin dreier Romane. Mit ihrem zweiten Roman «Brüder», 2019 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, erhielt sie den Düsseldorfer Literaturpreis 2020.

27.01.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Isabelle Lehn: Die Spielerin

Eingeführt von Andrea Weber

In «Die Spielerin» rollt die Autorin Isabelle Lehn den wahren Fall einer Frau auf, die in den 90er und nuller Jahren zunächst ihr Handwerk als Investmentbankerin in Zürich lernt und es später für die Geldwäsche der kalabrischen Mafia einzusetzen weiss, bis sie schlussendlich auffliegt. Die Protagonistin, die konsequent wie in der Presse als A. anonymisiert wird, ist eine unauffällige Frau mittleren Alters, die von allen übersehen und in ihrer Leistung konsequent unterschätzt wird. A. kommt selber im Roman nicht zu Wort, sie schweigt im Zeugenstand beim Prozess, wie es im Prolog des Buches heisst: «Lieber will sie die Leerstelle bleiben, der blinde Fleck im System, den sie jahrelang dargestellt hat … .» Dafür verfolgt man ihren Werdegang über die Geschichten ihrer Weggefährten, die aufgrund des Prozesses rückblickend aus Distanz deren Blindheit erklären, aus der Erzählperspektive eines geheimnisvollen allwissenden Wir.

Isabelle Lehn, geboren 1979 in Bonn, lebt heute in Leipzig und schreibt erzählende und essayistische Prosa. Sie ist promovierte Rhetorikerin, Autorin des Debütromans «Binde zwei Vögel zusammen» und des Romans «Frühlingserwachen». Für ihre literarische Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt für ihren Aufsatz «Weibliches Schreiben», der sich mit der geschlechtsspezifischen Rolle von Autor:innen im Literaturbetrieb auseinandersetzt.

24.02.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Barbara Schibli: Flimmern im Ohr

Eingeführt von Belinda Lamatsch

Eingekerbt in die Rillen des schwarzen Vinyls ruhen Spuren von Erinnerungen: Die 53-jährige Priska übt mit ihrem Innenohr-Implantat das Hören wieder. Während sich die Nadel des Plattenspielers über ihre früheren Lieblingssongs bewegt, erklingt die lang verstummte Vergangenheit. Über die Rhythmen der Punk-Musik tauchen wir gemeinsam mit der Ich-Erzählerin ins Zürich der 70er Jahre ein. Lebhaft schillern die Bilder von durchtanzten Nächten. Sie zeigen die lokale Clubszene und Frauenbewegung sowie flüchtige und anhaltende Begegnungen der Protagonistin. Die Aufdeckung der Fichenaffäre, von der auch Priska betroffen war, bringt die Grenze zwischen dem privaten und dem politischen Raum ins Wanken. Geschickt verflicht der Roman die Biografie der Protagonistin mit geschichtlichen Ereignissen, fragt nach individuellen und kollektiven Erfahrungen und danach, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart prägt.

Barbara Schibli, geboren 1975, hat Germanistik, italienische Literaturwissenschaft und Publizistik in Zürich studiert. Sie lebt im Kanton Aargau und arbeitet als Gymnasiallehrerin in Baden. 2016 erhielt sie den Studer/Ganz-Preis für das beste unveröffentlichte Prosamanuskript und für den daraus entstandenen Roman «Flechten» den GEDOK Literaturförderpreis.

24.03.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Literarischer Salon mit Miguel Garcia und Martin R. Dean: Tabak und Schokolade

Moderation: Evelyn Schertler Kaufmann

Nach dem Tod der Mutter findet der Erzähler Fotos seiner frühen Kindheit auf der Karibikinsel Trinidad. Die Tochter von «Stumpenarbeitern» aus dem Aargau hatte sich blutjung in einen Tunichtgut der westindischen Oberschicht verliebt und ein Kind bekommen. Während die Familie die Jahre der Mutter bei den «Wilden» auslöschen möchte, will er diese Erinnerungen retten. Der Roman schildert intimste biografische Migrationserfahrungen und führt in den tropischen Dschungel einer britischen Kronkolonie. Mit dem Vordringen bis zu indischen Vorfahren legt Martin R. Dean luzide seinen Stammbaum in einem Stück Schweizer (Kolonial-)Geschichte frei. Sein Nachdenken über den «weissen Blick», Rassismus und Heimat ist herausragend.
Parallel zur Lesung werfen wir mit Miguel Garcia einen fotografischen Blick auf die Leinwand der Coalmine. Im ehemaligen Kohlekeller des Handelsunternehmens Volkart sprechen wir über dessen Erfolgsgeschichte auf dem indischen Subkontinent sowie die Tätigkeiten der Volkart Stiftung zwischen Gestern und Heute. Der Salon lotet Berührungspunkte zum literarischen Text aus.

Martin R. Dean, 1955 in Menziken AG geboren, studierte Germanistik, Ethnologie und Philosophie an der Universität Basel, er wurde vielfach ausgezeichnet («Tabak und Schokolade»: Shortlist Schweizer Buchpreis 2024). Zuletzt erschienen «Der Sommer in dem ich Schwarz wurde» 2021, «Ein Stück Himmel» 2021, «Meine Väter» 2023.

Miguel Garcia, 1984 in Winterthur geboren, studierte Geschichte, Ethnologie und Sozialpsychologie. Er befasst sich in Publikationen und auf Stadtführungen mit der Geschichte Winterthurs, seit zehn Jahren auch mit Kolonialismus, und bietet hierzu Rundgänge an (www.geschichte-winterthur.ch und www.kehrseite-winterthur.ch).

14.04.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung

Eingeführt von Claudio Notz

Ein algerischer Soldat gerät in den ersten deutschen Giftgasangriff. Er beschliesst, einer müsse damit aufhören, steht auf und geht. Im Kairo der Zukunft beobachtet eine Stand-up-Comedian eine Androidin beim Lachen über ihre Witze. Ein böhmischer Weber wird durch einen automatisierten Webstuhl ersetzt, raubt einen Hammer und attackiert den Apparat.
Wovon träumen wir Menschen des Kapitalismus, wovon sprechen unsere sich zunehmend gegen uns erhebenden Maschinen? Sie alle geraten im einzigartigen Spiegelraum dieses mitreissenden Romans in immer verblüffendere Verbindungen zueinander. Klug und irrsinnig, komisch und scharf erzählt Jonas Lüscher auf der Höhe des literarischen Schaffens von einer Gegenwart, die gern mehr über ihre Zukunft wüsste.

Jonas Lüscher, geboren 1976 in der Schweiz, lebt in München. Seine Novelle «Frühling der Barbaren» (2013) gehört zu den 100 besten Büchern des 21. Jahrhunderts (NZZ am Sonntag). Lüschers Roman «Kraft» (2017) gewann den Schweizer Buchpreis. Jonas Lüscher erhielt ausserdem u.a. den Hans-Fallada-Preis, den Prix Franz Hessel und den Max Frisch-Preis der Stadt Zürich.

26.05.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Mireille Zindel: Bald wärmer

Eingeführt von Lisa Briner

Zwölf Tage. So lange lebt Zoé, bis sie an einer unheilbaren Krankheit stirbt. Zwölf Tage voller Hoffnung und Zerrissenheit. Zwischen Intensivstation, Friedhof und Schreiben versucht die Mutter, im Alltag wieder Fuss zu fassen. Glasklar beobachtet sie die Hilflosigkeit ihrer Umgebung, die eigenen missglückten Ablenkungsversuche, die Angst, verrückt zu werden, wenn sie plötzlich glaubt, dass Zoé zurückkehren wird. Doch auch, wie sich die Erfahrung des Verlusts über die Monate und schliesslich Jahre hin verändert: «Ich bekam zwei Söhne. Ich wurde wieder glücklich, ich wurde wieder fröhlich und ich wurde wieder unverbesserlich oberflächlich und undankbar. Aber ich habe mir nie wieder Illusionen darüber gemacht, wohin das alles führen wird: Wir sind sterblich.»
Bewegend, nachdenklich und unaufdringlich erzählt Mireille Zindel in «Bald wärmer» von Abschied, Trauer und Trost – und wie die Mutter das Weiterleben lernt.

Mireille Zindel, 1973 in Baden geboren, lebt als freie Autorin in Zürich. Sie hat Lyrik, Shortstories, Reportagen und Romane veröffentlicht, die mehrfach ausgezeichnet wurden, zuletzt «Die Zone» (2021) und «Fest» (2024).

23.06.2025

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Roman Graf: Leben ohne Folgen

Eingeführt von Claudio Notz


Die grosse Liebe ist gefunden, das erste Kind ist unterwegs, ein Umzug in die Provinz steht bevor – weg aus der Wahlheimat Berlin. Man hofft auf das vollkommene Glück, aber vollkommen ist nur der Zerfall: Beziehungen rücken in ein anderes Licht, gängige Rollenbilder werden aufgebrochen, das Scheitern an den Herausforderungen des Lebens ist unausweichlich. In literarischen Fragmenten durchleben die Protagonisten Konflikte. So sucht einer die eigene Unvergleichlichkeit: «Von den meisten Menschen unterschied ich mich darin, dass ich keiner Arbeit nachging.» Leicht kann dies provozieren. Doch der Roman handelt von Figuren, deren Mühen mit der Leistungsgesellschaft offenkundig werden. Sie berühren uns aber auch persönlich in ihren Auseinandersetzungen mit den grossen Themen des Lebens: der Liebe, dem Tod und eben, dem Scheitern.

Roman Graf, 1987 in Winterthur geboren, arbeitete nach einer Lehre als Forstwart in verschiedenen Berufen, studierte an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er lebt seit 2003 in Deutschland und veröff-entlichte die Romane «Herr Blanc», «Niedergang» und «Mädchen für Morris» sowie den Gedichtband «Zur Irrfahrt verführt».

02.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Doris Wirth: Findet mich

Eingeführt von Ruth Loosli

«Die Welt, in die ich geboren werde, besteht aus Spannteppichen», erzählt uns Florence, eine der Hauptfiguren im Romandebüt von Doris Wirth. Die Spannteppiche stehen für Spannungen, für konservative Konzepte, für Abgeschabtes. Florences Vater Erwin versucht vergeblich, diese Spannungen auszuhalten: Er selbst hatte einen strengen Vater, nun will er anders sein für seine Kinder. Sein Erfindergeist trägt ihn über manche kritische Situation hinweg, doch der Jähzorn ist ein schlafender Vulkan, der sich ab und an Bahn brechen muss. Die Mutter gleicht aus, doch das genügt nicht. Vom Misslingen wird hier erzählt, manchmal komisch, oft melancholisch, doch immer in präzisen, überraschenden Bildern. «Findet mich» ist ein Roman, der ein halbes Jahrhundert umspannt und uns hilft, die Gegenwart besser zu verstehen.

Doris Wirth, geboren 1981, war unter anderem in Winterthur zuhause und lebt heute in Berlin. Sie hat Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie studiert. 2013 erschien der Erzählband «Ausgekippt im All», 2016 die Erzählung «Kinderspiele». Für ihre Prosa wurde Doris Wirth mehrfach ausgezeichnet.

«Findet mich» ist für den deutschen Buchpreis 2024 nominiert.

16.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Literarischer Salon mit Ruth Gantert & Alexandre Lecoultre: Peter und so weiter

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann

Peter spaziert durchs Dorf, sitzt im Café Du Nord, fährt mit dem Zug durchs Land. Dinge und Menschen beobachtet er vom Rand aus und ist dennoch mittendrin – alles ist ihm Zeit und Überlegung wert. Die Dorfleute lassen ihn spüren, dass es so nicht weitergeht, «öppis muss passieren, quelque chose!»: Peter muss jemand werden und eine Frau finden…
Alexandre Lecoultres schräger Protagonist bewegt sich provokativ und witzig jenseits sprachlicher Normen, dafür hat seine Übersetzerin Ruth Gantert feinsinnige Worte gefunden. Es ist ein poetisches Mäandern um Peters Suche nach Glück und Sinn im Leben. Der «Literarische Salon» wird deutschsprachig durchgeführt und der Akzent liegt auf der Arbeit des literarischen Übersetzens – wobei es erlaubt sei, als Sahnehäubchen zwischendurch dem Französischen zu huldigen.


Alexandre Lecoultre, 1987 in Genf geboren, studierte Sozialwissenschaften in der Romandie und lebt in Bern. Neben Prosa schreibt er Lyrik, inszeniert diese in musikalischen Performances und ist literarischer Übersetzer. Sein Roman «Peter und so weiter» erhielt 2021 einen der Schweizer Literaturpreise. 2024 erschien sein Lyrikband «Le vent vous embrasse mais jamais ne reste».


Ruth Gantert, 1967 in Zürich geboren, studierte Romanistik in Zürich, Paris und Pisa. Sie ist Übersetzerin, Literaturvermittlerin, künstlerische Leiterin des Service de Presse Suisse, Geschäftsführerin der Fondazione Casa Atelier Bedigliora und Redaktionsleiterin des dreisprachigen Jahrbuchs der Schweizer Literaturen Viceversa, das ebenfalls auf dem Büchertisch erhältlich sein wird.

28.10.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Rebekka Salm: Wie der Hase läuft

Eingeführt von Belinda Lamatsch

«Wie viel wahr steckt eigentlich in wahrscheinlich?», fragt sich die Protagonistin in Rebekka Salms zweitem Roman. Teresa arbeitet in einem Brockenhaus, wo sie sich tagein, tagaus mit der Vergangenheit auseinandersetzt. In den Pausen verschanzt sie sich in einem alten Schrank, auf dessen Innenseite sie Namen und Daten kritzelt und so die Stammbäume ihrer Familie und derjenigen ihres Partners Mirco rekonstruiert. War es ihr Grossvater, der den ersten Mann von Mircos Grossmutter im Krieg erschossen hat? Gemeinsam mit Teresa ergründen wir Verstrickungen und begeben uns auf die Suche nach der Vergangenheit. Doch wie ein Hase schlägt diese flink ihre Haken, springt zwischen Fakten und Fabulation, lässt Lücken klaffen, die zum Rätseln anregen. Anhand der beiden Familiengeschichten stellt Rebekka Salm grosse Fragen: Wie erzählen wir unsere Vergangenheit, wie leben wir unsere Gegenwart? Und wie gehen wir mit den Leerstellen um?

Rebekka Salm, geboren 1979 in Liestal, heute wohnhaft in Olten, hat Islamwissenschaften und Geschichte in Basel und Bern studiert. 2022 erschien ihr Debütroman «Die Dinge beim Namen», 2023 erhielt sie den Berner und Solothurner Förderpreis für Literatur.

18.11.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder