Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde

Eingeführt von Claudio Notz

Der Winterthurer Schriftsteller Peter Stamm feiert – und wir dürfen seinen neusten
Roman mit ihm feiern: Seit Tagen wartet die Dokumentarfilmerin Andrea mit ihrem
Team auf Richard Wechsler in seinem Heimatort in der Schweiz. Bei ersten Aufnahmen
in Paris hatte der bekannte Schriftsteller wenig von sich preisgeben wollen und
nun scheint der ganze Film zu scheitern. In den kleinen Strassen und Gassen des
Ortes sucht Andrea entgegen der Absprache nach Spuren von Wechslers Leben. Doch
erst als sie wieder seine Bücher liest, entdeckt sie einen Hinweis auf eine Jugendliebe,
die noch immer in dem kleinen Ort leben könnte. Eine Jugendliebe, die sein ganzes
Leben beeinflusst hat und von der nie jemand wusste.

Peter Stamm, 1963 in Weinfelden geboren, lebt in Winterthur. Er studierte einige
Semester Anglistik und Psychologie, bevor er als Journalist und Schriftsteller tätig
wurde. Seit seinem Roman «Agnes» ist ein breites Erzählwerk entstanden. 2018 erhielt
Peter Stamm den Schweizer Buchpreis.

30.01.2023

19.30 Uhr

Alte Kaserne, Technikumstrasse 8, 8403 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Ursula Fricker – Gesund genug

Eingeführt von Lisa Briner

«Selber schuld» hat Hannes Vater zu allen gesagt, die krank wurden, «da kann man einmal sehen.» Nachdem ihm ein Buch über das «sonnseitige Leben» in die Hände gefallen war, hat er sein Leben radikal umgestellt. Alles soll natürlicher werden, reiner, gesünder: Kein Zucker, kein Fleisch, kein Fernsehen, kein Schwimmunterricht in Chlorwasser, kein Umgang mit Leuten, die nicht ebenso gesund leben – also mit niemandem. Nun hat er selbst Darmkrebs im Endstadium. Und Hanne, die ihrem Elternhaus längst den Rücken gekehrt hat, würde an seinem Sterbebett am liebsten sagen: «Da kann man einmal sehen.» Noch einmal wird das Aufwachsen unter dem väterlichen Gesundheitsdiktat lebendig, aber auch ihr befreiendes Weggehen – und was sie trotz allem mit ihrem Vater verbindet.
In schnörkelloser Sprache und starken Bildern erzählt Ursula Fricker, wie die Sehnsucht
nach dem richtigen Leben ins falsche führt. Und von einer Gegenkraft: der Literatur.


Ursula Fricker, 1965 in Schaffhausen geboren, lebt als freie Autorin in der Nähe von
Berlin. Ihr Roman «Ausser sich» (2012) war nominiert für den Schweizer Buchpreis,
«Gesund genug» (2022) für den Alfred-Döblin-Preis 2021. Kürzlich wurde sie mit dem
Georg-Fischer-Kulturpreis der Stadt Schaffhausen ausgezeichnet.

06.03.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Martina Clavadetscher – Vor aller Augen

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann

Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge, die Dame mit dem Hermelin, Frauen auf weltberühmten Gemälden von Leonardo da Vinci, Vermeer, Rembrandt, Courbet, Schiele, Munch. Wir sehen ihre Körper, ihre Blicke, ihre Kleidung, verbannt in einen ewigen Augenblick. Doch wer waren sie ausserhalb dieses Moments, wie haben sie gelebt, gefühlt, gedacht? Martina Clavadetscher wagt mit ihrer brillanten Idee einen radikalen Perspektivenwechsel. Sie lässt die porträtierten Frauen erzählen, gibt ihnen ihre je eigene Stimme und ihre Namen zurück: Sie werden quasi als Objekte von der Leinwand gelöst, zu Subjekten gemacht. Mal sprechen sie eloquent, mal ruppig, unverblümt, kritisch oder schambefreit, oft charmant – und sind so authentische Zeuginnen einer lustvollen Emanzipation aller Modelle der Kunstgeschichte.

«Diese Frauen waren immer auch Mitarbeiterinnen, Künstlerinnen, Unterstützerinnen, Auslöser, ein Spiegel ihrer Zeit, Ikonen, Inspiration, Partnerinnen, Retterinnen», sagt die Autorin. Eindringlich fördert sie in der Verschränkung von kunsthistorischem Wissen und Anekdoten schillernde Juwelen von Frauenleben zutage, die in 19 sprachlich virtuosen, tiefgründigen Vignetten äusserst vergnüglich zu lesen sind.

Martina Clavadetscher, geboren 1979, ist Schriftstellerin und Dramatikerin. Nach ihrem Studium der Deutschen Literatur, Linguistik und Philosophie arbeitete sie für diverse deutschsprachige Theater, gewann den Essener Autorenpreis und war für den Heidelberger Stückemarkt nominiert. Für ihren Roman «Die Erfi ndung des Ungehorsams» erhielt sie 2021 den Schweizer Buchpreis. Sie lebt in der Schweiz.

17.04.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Marie Gamillscheg – Aufruhr der Meerestiere

Eingeführt von Adriana Rey

Die junge Meeresbiologin Luise ist ehrgeizig und kommt auf dem akademischen Karriereweg gut voran. Das «Inselleben» am Institut passt zu ihr, vor verbindlichen Beziehungen scheut Luise zurück und fokussiert sich lieber auf ihr Forschungsobjekt, das ebenso anpassungsfähig und ortsungebunden ist wie sie: die Meerwalnuss, eine leuchtende Qualle, die sich invasiv in den Weltmeeren verbreitet. Ein Kooperationsprojekt der Universität mit einem Tierpark führt Luise in ihre Geburtsstadt Graz. Dort wird sie mit dem Idol ihrer Kindheit in Person des Tierparkdirektors ebenso konfrontiert wie mit der jahrelangen Entfremdung von ihrem Vater. Gelingt es der jungen Frau, doch noch so etwas wie Zugehörigkeit zu finden – und will sie das überhaupt? In poetisch verdichteter Sprache mit teilweise traumähnlichen Passagen beschreibt Marie Gamillscheg das Ringen einer jungen Frau mit sich selbst und ihrer Umwelt, ihren Kampf um Selbstbestimmung und ihre Auseinandersetzung mit dem eigenen Platz innerhalb des Geflechts menschlicher Beziehungen. Nicht zuletzt wirft der Roman spannende Fragen nach der Beziehung von Mensch und Tier auf.

Marie Gamillscheg, geboren 1992 in Graz, lebt als freie Autorin in Berlin. Ihr Roman «Alles was glänzt» wurde mit dem Österreichischen Literaturpreis für das beste Debüt 2018 ausgezeichnet. «Aufruhr der Meerestiere» stand 2022 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

05.06.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Tabea Steiner – Immer zwei und zwei

Eingeführt von Andrea Weber

Nachdem Tabea Steiner in ihrem Debüt «Balg» mit ihren Figuren, dem verwahrlosten Kind Timon und dem ehemaligen Lehrer Valentin, das einengende Leben in einer Dorfgemeinschaft gezeichnet hat, dringt sie in ihrem zweiten Roman «Immer zwei und zwei» in die Tiefen einer Glaubensgemeinschaft ein. Die Protagonistin Natali lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in der heilen Welt einer religiösen Gruppierung. Doch die klaren Regeln und Strukturen, die normalerweise Halt geben sollten, schnüren ihr zunehmend die Luft zum Leben ab. Nur als Bildhauerin in ihrem Atelier ist sie noch sie selbst. Ihre Aussenkontakte zeigen ihr aber einen anderen Ausschnitt der Welt, der auch ihren Töchtern nicht verborgen bleiben soll. Ein schwieriger Weg in die Selbstbestimmung beginnt.


Tabea Steiner, Jahrgang 1981, ist auf einem Bauernhof in der Nähe des Bodensees aufgewachsen und hat Germanistik und Geschichte studiert. Sie hat das Thuner Literaturfestival Literaare initiiert, ist Mitorganisatorin des Berner Lesefestes Aprillen und war bis 2022 Mitglied der Jury der Schweizer Literaturpreise. 2019 erschien ihr erster Roman «Balg», der für den Schweizer Buchpreis nominiert war. Die Essay-Auswahl «Provinces» erschien 2022 bei Stranger Press. Tabea Steiner lebt und arbeitet in Zürich.

15.05.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Joel Bedetti – Lärmparade

Eingeführt von Claudio Notz

Mit seinem Erstling ist Joel Bedetti ein Wurf geglückt: In seinem Roman erzählt er, wie Janosch und Peter mit ihrer Leidenschaft, der Musik, durchstarten wollen. Sie nehmen dafür viel auf sich, setzen alles auf diese Karte. Mit ihrer Band Noise Parade ziehen sie von Zürich nach Glasgow, wo sie eine aktive Musikszene vorfinden und alles dafür geben, an einen Plattenvertrag zu kommen. Jugendliche Naivität und Grössenwahn treiben die Protagonisten in ihrem kreativen Prozess an, lähmen diesen aber auch immer wieder, genauso wie die Freundschaft der beiden sich intensiviert und gleichzeitig immer wieder an ihren Ambitionen zu zerbrechen droht. «Lärmparade» ist ein atemlos erzählter Entwicklungsroman, der den Geist der 2000er genau trifft: «Bedetti beschreibt präzis das jugendliche Lebensgefühl in den Nullerjahren.» (NZZ am Sonntag) 

Joel Bedetti, 1984 in Bern geboren, lebt in Zürich. Er wollte als Teenager Rockstar werden, studierte Geschichte und Ethnologie und schrieb als freier Journalist unter anderem für die NZZ am Sonntag und Das Magazin. 2012 gewann er den Zürcher Journalistenpreis in der Kategorie Nachwuchs. 

05.09.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Dinçer Güçyeter – Mein Prinz, ich bin das Ghetto

Eingeführt von Ruth Loosli

Dinçer Güçyeter hat einen radikal autobiographischen Gedichtband geschrieben und herausgegeben im von ihm gegründeten Elif-Verlag, den er quersubventioniert durch seine Arbeit als Stapelfahrer. Kann das gut gehen? Es kann: Er gewinnt damit 2022 den renommierten Peter Huchel-Preis. Vor ihm waren Marcel Beyer, Friederike Mayröcker und viele mehr. Was macht seine Lyrik so bemerkenswert? Es sei die «expressionistische Sprachwucht und feinsinnige Ambivalenz», meint die Jury.  

«Kind, das Märchen hängt hinter der Tür / sei vorsichtig / verbrenne dir nicht die Finger.» Wer die Gedichte, die zum Teil wie Kurzprosatexte daherkommen, liest, riskiert sehr wohl, sich die Finger zu verbrennen. Entgeistert starrt man auf Szenen, die man sich nie hätte ausmalen wollen und die der Dichter in Worte zu fassen vermag, denen man sich vielleicht lieber entziehen würde. Sie sprechen von Erfahrungen, die für so Viele weltweit Wirklichkeit geworden sind. Hören wir ihnen zu. Der Dichter hat etwas zu erzählen. 

Dinçer Güçyeter, geboren 1979 in Nettetal (D), ist Lyriker, Verleger, Regisseur und Schauspieler. Von 1996 bis 2000 machte er eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. 2011 gründete er den Elif-Verlag, der sich auf Lyrik in deutscher und türkischer Sprache spezialisiert. Güçyeter ist Vater von zwei Kindern und lebt in Nettetal. 

19.9.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Julia Schoch – Das Vorkommnis

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann 

Eine erschütternde Erfahrung im eigenen Leben – wie ein Schuss, dicht am Ohr: Da taucht ein Mensch auf, und das ganze Leben ist verändert. Eine Halbschwester, die sagt, es gebe einen gemeinsamen Vater. Die flüchtige Begegnung löst eine Welle von Emotionen aus. Fragen drängen sich auf, über Ehe und Mutterschaft, über Adoption und Geheimnisse, über die Wahrheit an sich. Julia Schoch fabuliert eine fesselnde Liebesgeschichte und zieht uns hinein in den Strudel ungeheuerlicher Alltäglichkeit. Aus Erinnerungsfragmenten entwickelt sie ein fein ziseliertes Lebensbild, in dem Individuum und Gesellschaft scharfe Konturen bekommen. Gleichsam in der Nachfolge Christa Wolfs stehend, liegt die ungemeine Kraft dieses Romans in der Verdichtung von Sehnsüchten und Verlorenheiten, im Lenken des Blickes auf die kulturellen Wurzeln und unsere politisch-geschichtlichen Heimatlosigkeiten. «Julia Schoch ist eine Meisterin darin, mit simplen Sätzen einen tiefen seelischen Schwindel zu beschreiben und auch beim Leser zu erzeugen.» (R. Kämmerlings, Die Welt) 

Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow (DDR) geboren, aufgewachsen in Mecklenburg, Studium der Germanistik und Romanistik in Potsdam, Montpellier und Bukarest. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin mit ihrer Familie in Potsdam. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung 2022. Mit ihrem Roman «Schöne Seelen und Komplizen» stand sie – wie schon mit ihrem für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Roman «Mit der Geschwindigkeit des Sommers» auf Platz 1 der SWR-Bestenliste. 

03.10.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Alain Claude Sulzer – Doppelleben (Zürich liest)

Moderiert von Prof. Dr. Philipp Theisohn, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich

Der Prix Goncourt, der alljährlich im November für den besten französischsprachigen Roman vergeben wird, gilt als ältester und bedeutendster Literaturpreis Frankreichs. Benannt wurde der Preis nach den Schriftsteller-Brüdern Edmond und Jules de Goncourt. Die Leben der beiden Brüder stehen nun im Zentrum von Alain Claude Sulzers neuem Roman. Sie verkehrten mit Flaubert, Zola und anderen Künstlern im Palais der Cousine des Kaisers, und sie teilten alles: das Haus, die Gedanken, die Arbeit, die Geliebte. Mit ihnen, aber weitgehend übersehen von den Gebrüdern, lebt Rose, ihre Haushälterin: Sie durchlebt unbemerkt existenzielle Dramen. Ein packendes Epochengemälde in Lebensläufen, wie sie gegensätzlicher kaum sein können. 

Alain Claude Sulzer, 1953 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass. 

31.10.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Dana Grigorcea – Die nicht sterben

Eingeführt von Adriana Rey

Nach Abschluss ihres Kunststudiums reist die Ich-Erzählerin in die Walachei zu ihrer Grosstante, in deren Villa in B. sie viele unbeschwerte Sommer verbracht hat. Doch der Ort B. ist im Niedergang und wird bald zum Schauplatz seltsamer Ereignisse: Auf einen tödlichen Unfall folgt die Entdeckung der übel zugerichteten Leiche Traians, des Jugendfreundes der Erzählerin – und dies ausgerechnet in einer Gruft, die als jene Draculas identifiziert wird. Statt den Mord an Traian aufzuklären schlachten die regierenden Lokalmächte den Grabfund für billigen Vampirtourismus aus. Was bleibt da der Erzählerin anderes übrig, als zur «Rächerin der Gerechten» zu werden?  

«Die nicht sterben» erzählt von der fiktiven Figur des Dracula und dessen historischem Vorbild, von der kommunistischen Vergangenheit Rumäniens und ihrem Erbe in der Gegenwart, wo die Sehnsucht nach einer harten Hand, die Ordnung schafft, noch immer fortlebt. Die mäandernde Erzählweise und das augenzwinkernde Spiel mit der Leserschaft machen diesen dichten und anspielungsreichen Roman zu einem fulminanten Lesevergnügen. 

Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, ist Journalistin, Verlegerin und Autorin mehrerer Romane und Kinderbücher. Für «Die nicht sterben», 2021 nominiert für den deutschen Buchpreis, erhielt sie 2022 einen der Schweizer Literaturpreise des Bundesamtes für Kultur. 

07.11.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder