Valerie Fritsch: Zitronen

Eingeführt von Adriana Rey

Was von diesem Roman in Erinnerung bleibt, ist gar nicht so sehr die Handlung – die von körperlicher und psychischer Misshandlung geprägte Kindheit des Protagonisten August und deren verheerende Auswirkungen auf seine Biographie. Vielmehr ist es Valerie Fritschs poetisch verdichtete Sprache, deren bezaubernde Schönheit in starkem Gegensatz steht zur Gewalt, welcher die Hauptfigur ausgesetzt ist. Gerade die metaphernreichen und dennoch präzisen Beschreibungen, der besonnene und trotzdem empathische Erzählton machen es aus, dass dieser Roman trotz der schweren Thematik weder voyeuristisch noch brutal wirkt.

Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, ist Fotokünstlerin und Schriftstellerin. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015 wurde sie mit dem Kelag-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet, ihre ersten beiden Romane «Winters Garten» (2016) und «Herzklappen von Johnson & Johnson» (2021) standen auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

09.12.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Roman Graf: Leben ohne Folgen

Eingeführt von Claudio Notz


Die grosse Liebe ist gefunden, das erste Kind ist unterwegs, ein Umzug in die Provinz steht bevor – weg aus der Wahlheimat Berlin. Man hofft auf das vollkommene Glück, aber vollkommen ist nur der Zerfall: Beziehungen rücken in ein anderes Licht, gängige Rollenbilder werden aufgebrochen, das Scheitern an den Herausforderungen des Lebens ist unausweichlich. In literarischen Fragmenten durchleben die Protagonisten Konflikte. So sucht einer die eigene Unvergleichlichkeit: «Von den meisten Menschen unterschied ich mich darin, dass ich keiner Arbeit nachging.» Leicht kann dies provozieren. Doch der Roman handelt von Figuren, deren Mühen mit der Leistungsgesellschaft offenkundig werden. Sie berühren uns aber auch persönlich in ihren Auseinandersetzungen mit den grossen Themen des Lebens: der Liebe, dem Tod und eben, dem Scheitern.

Roman Graf, 1987 in Winterthur geboren, arbeitete nach einer Lehre als Forstwart in verschiedenen Berufen, studierte an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er lebt seit 2003 in Deutschland und veröff-entlichte die Romane «Herr Blanc», «Niedergang» und «Mädchen für Morris» sowie den Gedichtband «Zur Irrfahrt verführt».

02.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Doris Wirth: Findet mich

Eingeführt von Ruth Loosli

«Die Welt, in die ich geboren werde, besteht aus Spannteppichen», erzählt uns Florence, eine der Hauptfiguren im Romandebüt von Doris Wirth. Die Spannteppiche stehen für Spannungen, für konservative Konzepte, für Abgeschabtes. Florences Vater Erwin versucht vergeblich, diese Spannungen auszuhalten: Er selbst hatte einen strengen Vater, nun will er anders sein für seine Kinder. Sein Erfindergeist trägt ihn über manche kritische Situation hinweg, doch der Jähzorn ist ein schlafender Vulkan, der sich ab und an Bahn brechen muss. Die Mutter gleicht aus, doch das genügt nicht. Vom Misslingen wird hier erzählt, manchmal komisch, oft melancholisch, doch immer in präzisen, überraschenden Bildern. «Findet mich» ist ein Roman, der ein halbes Jahrhundert umspannt und uns hilft, die Gegenwart besser zu verstehen.

Doris Wirth, geboren 1981, war unter anderem in Winterthur zuhause und lebt heute in Berlin. Sie hat Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie studiert. 2013 erschien der Erzählband «Ausgekippt im All», 2016 die Erzählung «Kinderspiele». Für ihre Prosa wurde Doris Wirth mehrfach ausgezeichnet.

«Findet mich» ist für den deutschen Buchpreis 2024 nominiert.

16.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Literarischer Salon mit Ruth Gantert & Alexandre Lecoultre: Peter und so weiter

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann

Peter spaziert durchs Dorf, sitzt im Café Du Nord, fährt mit dem Zug durchs Land. Dinge und Menschen beobachtet er vom Rand aus und ist dennoch mittendrin – alles ist ihm Zeit und Überlegung wert. Die Dorfleute lassen ihn spüren, dass es so nicht weitergeht, «öppis muss passieren, quelque chose!»: Peter muss jemand werden und eine Frau finden…
Alexandre Lecoultres schräger Protagonist bewegt sich provokativ und witzig jenseits sprachlicher Normen, dafür hat seine Übersetzerin Ruth Gantert feinsinnige Worte gefunden. Es ist ein poetisches Mäandern um Peters Suche nach Glück und Sinn im Leben. Der «Literarische Salon» wird deutschsprachig durchgeführt und der Akzent liegt auf der Arbeit des literarischen Übersetzens – wobei es erlaubt sei, als Sahnehäubchen zwischendurch dem Französischen zu huldigen.


Alexandre Lecoultre, 1987 in Genf geboren, studierte Sozialwissenschaften in der Romandie und lebt in Bern. Neben Prosa schreibt er Lyrik, inszeniert diese in musikalischen Performances und ist literarischer Übersetzer. Sein Roman «Peter und so weiter» erhielt 2021 einen der Schweizer Literaturpreise. 2024 erschien sein Lyrikband «Le vent vous embrasse mais jamais ne reste».


Ruth Gantert, 1967 in Zürich geboren, studierte Romanistik in Zürich, Paris und Pisa. Sie ist Übersetzerin, Literaturvermittlerin, künstlerische Leiterin des Service de Presse Suisse, Geschäftsführerin der Fondazione Casa Atelier Bedigliora und Redaktionsleiterin des dreisprachigen Jahrbuchs der Schweizer Literaturen Viceversa, das ebenfalls auf dem Büchertisch erhältlich sein wird.

28.10.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Rebekka Salm: Wie der Hase läuft

Eingeführt von Belinda Lamatsch

«Wie viel wahr steckt eigentlich in wahrscheinlich?», fragt sich die Protagonistin in Rebekka Salms zweitem Roman. Teresa arbeitet in einem Brockenhaus, wo sie sich tagein, tagaus mit der Vergangenheit auseinandersetzt. In den Pausen verschanzt sie sich in einem alten Schrank, auf dessen Innenseite sie Namen und Daten kritzelt und so die Stammbäume ihrer Familie und derjenigen ihres Partners Mirco rekonstruiert. War es ihr Grossvater, der den ersten Mann von Mircos Grossmutter im Krieg erschossen hat? Gemeinsam mit Teresa ergründen wir Verstrickungen und begeben uns auf die Suche nach der Vergangenheit. Doch wie ein Hase schlägt diese flink ihre Haken, springt zwischen Fakten und Fabulation, lässt Lücken klaffen, die zum Rätseln anregen. Anhand der beiden Familiengeschichten stellt Rebekka Salm grosse Fragen: Wie erzählen wir unsere Vergangenheit, wie leben wir unsere Gegenwart? Und wie gehen wir mit den Leerstellen um?

Rebekka Salm, geboren 1979 in Liestal, heute wohnhaft in Olten, hat Islamwissenschaften und Geschichte in Basel und Bern studiert. 2022 erschien ihr Debütroman «Die Dinge beim Namen», 2023 erhielt sie den Berner und Solothurner Förderpreis für Literatur.

18.11.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder