Rebekka Salm: Wie der Hase läuft

Eingeführt von Belinda Lamatsch

«Wie viel wahr steckt eigentlich in wahrscheinlich?», fragt sich die Protagonistin in Rebekka Salms zweitem Roman. Teresa arbeitet in einem Brockenhaus, wo sie sich tagein, tagaus mit der Vergangenheit auseinandersetzt. In den Pausen verschanzt sie sich in einem alten Schrank, auf dessen Innenseite sie Namen und Daten kritzelt und so die Stammbäume ihrer Familie und derjenigen ihres Partners Mirco rekonstruiert. War es ihr Grossvater, der den ersten Mann von Mircos Grossmutter im Krieg erschossen hat? Gemeinsam mit Teresa ergründen wir Verstrickungen und begeben uns auf die Suche nach der Vergangenheit. Doch wie ein Hase schlägt diese flink ihre Haken, springt zwischen Fakten und Fabulation, lässt Lücken klaffen, die zum Rätseln anregen. Anhand der beiden Familiengeschichten stellt Rebekka Salm grosse Fragen: Wie erzählen wir unsere Vergangenheit, wie leben wir unsere Gegenwart? Und wie gehen wir mit den Leerstellen um?

Rebekka Salm, geboren 1979 in Liestal, heute wohnhaft in Olten, hat Islamwissenschaften und Geschichte in Basel und Bern studiert. 2022 erschien ihr Debütroman «Die Dinge beim Namen», 2023 erhielt sie den Berner und Solothurner Förderpreis für Literatur.

18.11.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Valerie Fritsch: Zitronen

Eingeführt von Adriana Rey

Was von diesem Roman in Erinnerung bleibt, ist gar nicht so sehr die Handlung – die von körperlicher und psychischer Misshandlung geprägte Kindheit des Protagonisten August und deren verheerende Auswirkungen auf seine Biographie. Vielmehr ist es Valerie Fritschs poetisch verdichtete Sprache, deren bezaubernde Schönheit in starkem Gegensatz steht zur Gewalt, welcher die Hauptfigur ausgesetzt ist. Gerade die metaphernreichen und dennoch präzisen Beschreibungen, der besonnene und trotzdem empathische Erzählton machen es aus, dass dieser Roman trotz der schweren Thematik weder voyeuristisch noch brutal wirkt.

Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, ist Fotokünstlerin und Schriftstellerin. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015 wurde sie mit dem Kelag-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet, ihre ersten beiden Romane «Winters Garten» (2016) und «Herzklappen von Johnson & Johnson» (2021) standen auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

09.12.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Roman Graf: Leben ohne Folgen

Eingeführt von Claudio Notz


Die grosse Liebe ist gefunden, das erste Kind ist unterwegs, ein Umzug in die Provinz steht bevor – weg aus der Wahlheimat Berlin. Man hofft auf das vollkommene Glück, aber vollkommen ist nur der Zerfall: Beziehungen rücken in ein anderes Licht, gängige Rollenbilder werden aufgebrochen, das Scheitern an den Herausforderungen des Lebens ist unausweichlich. In literarischen Fragmenten durchleben die Protagonisten Konflikte. So sucht einer die eigene Unvergleichlichkeit: «Von den meisten Menschen unterschied ich mich darin, dass ich keiner Arbeit nachging.» Leicht kann dies provozieren. Doch der Roman handelt von Figuren, deren Mühen mit der Leistungsgesellschaft offenkundig werden. Sie berühren uns aber auch persönlich in ihren Auseinandersetzungen mit den grossen Themen des Lebens: der Liebe, dem Tod und eben, dem Scheitern.

Roman Graf, 1987 in Winterthur geboren, arbeitete nach einer Lehre als Forstwart in verschiedenen Berufen, studierte an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er lebt seit 2003 in Deutschland und veröff-entlichte die Romane «Herr Blanc», «Niedergang» und «Mädchen für Morris» sowie den Gedichtband «Zur Irrfahrt verführt».

02.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Doris Wirth: Findet mich

Eingeführt von Ruth Loosli

«Die Welt, in die ich geboren werde, besteht aus Spannteppichen», erzählt uns Florence, eine der Hauptfiguren im Romandebüt von Doris Wirth. Die Spannteppiche stehen für Spannungen, für konservative Konzepte, für Abgeschabtes. Florences Vater Erwin versucht vergeblich, diese Spannungen auszuhalten: Er selbst hatte einen strengen Vater, nun will er anders sein für seine Kinder. Sein Erfindergeist trägt ihn über manche kritische Situation hinweg, doch der Jähzorn ist ein schlafender Vulkan, der sich ab und an Bahn brechen muss. Die Mutter gleicht aus, doch das genügt nicht. Vom Misslingen wird hier erzählt, manchmal komisch, oft melancholisch, doch immer in präzisen, überraschenden Bildern. «Findet mich» ist ein Roman, der ein halbes Jahrhundert umspannt und uns hilft, die Gegenwart besser zu verstehen.

Doris Wirth, geboren 1981, war unter anderem in Winterthur zuhause und lebt heute in Berlin. Sie hat Germanistik, Filmwissenschaft und Philosophie studiert. 2013 erschien der Erzählband «Ausgekippt im All», 2016 die Erzählung «Kinderspiele». Für ihre Prosa wurde Doris Wirth mehrfach ausgezeichnet.

«Findet mich» ist für den deutschen Buchpreis 2024 nominiert.

16.09.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Literarischer Salon mit Ruth Gantert & Alexandre Lecoultre: Peter und so weiter

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann

Peter spaziert durchs Dorf, sitzt im Café Du Nord, fährt mit dem Zug durchs Land. Dinge und Menschen beobachtet er vom Rand aus und ist dennoch mittendrin – alles ist ihm Zeit und Überlegung wert. Die Dorfleute lassen ihn spüren, dass es so nicht weitergeht, «öppis muss passieren, quelque chose!»: Peter muss jemand werden und eine Frau finden…
Alexandre Lecoultres schräger Protagonist bewegt sich provokativ und witzig jenseits sprachlicher Normen, dafür hat seine Übersetzerin Ruth Gantert feinsinnige Worte gefunden. Es ist ein poetisches Mäandern um Peters Suche nach Glück und Sinn im Leben. Der «Literarische Salon» wird deutschsprachig durchgeführt und der Akzent liegt auf der Arbeit des literarischen Übersetzens – wobei es erlaubt sei, als Sahnehäubchen zwischendurch dem Französischen zu huldigen.


Alexandre Lecoultre, 1987 in Genf geboren, studierte Sozialwissenschaften in der Romandie und lebt in Bern. Neben Prosa schreibt er Lyrik, inszeniert diese in musikalischen Performances und ist literarischer Übersetzer. Sein Roman «Peter und so weiter» erhielt 2021 einen der Schweizer Literaturpreise. 2024 erschien sein Lyrikband «Le vent vous embrasse mais jamais ne reste».


Ruth Gantert, 1967 in Zürich geboren, studierte Romanistik in Zürich, Paris und Pisa. Sie ist Übersetzerin, Literaturvermittlerin, künstlerische Leiterin des Service de Presse Suisse, Geschäftsführerin der Fondazione Casa Atelier Bedigliora und Redaktionsleiterin des dreisprachigen Jahrbuchs der Schweizer Literaturen Viceversa, das ebenfalls auf dem Büchertisch erhältlich sein wird.

28.10.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Thomas Hettche – Sinkende Sterne

Eingeführt von Claudio Notz

Thomas Hettches Roman ist angesiedelt im Dorf Leuk im Wallis, wohin der Erzähler
nach dem Tod der Eltern reist, um deren Chalet in den Bergen zu verkaufen. Immer
wieder kippt das Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit: Was ist Autobiografie,
was gut erfunden für die Zwecke des Romans? Erfunden ist sicher die Naturkatastrophe:
Ein Bergsturz hat das Rhonetal in einen See verwandelt und das Wallis wird zur
bedrohlichen, mittelalterlichen Welt, in der völlig andere Regeln gelten als in Berlin,
dem Wohnort des Erzählers.
Im Verlauf des Geschehens kapselt sich das Wallis ab von der Aussenwelt. Interessant
ist zu beobachten, was dies mit dem Protagonisten macht, der sich in einer veritablen
Lebenskrise befindet. Davon ausgehend lotet dieser immer wieder aus, welche Kraft
auch die mythische Sphäre hat: Es geht um die grossen Erzählungen der Weltliteratur,
die Odyssee, 1001 Nacht und wie man in Zeiten der Political Correctness damit umgehen
kann.


Thomas Hettche
, 1964 geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Für seine Romane
ist er mit dem Wilhelm-Raabe-Preis, dem Solothurner Literaturpreis und dem
Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet worden. Zuletzt erschien 2020 der Roman
«Herzfaden», 2022 der Essayband «Es ist recht sehr Nacht geworden».

29.01.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Sarah Elena Müller – Bild ohne Mädchen

Eingeführt von Belinda Lamatsch

Wenn niemand das Offensichtliche sehen will: In ihrem Debütroman «Bild ohne Mädchen» erzählt Sarah Elena Müller von Kindesmissbrauch; vom Wegschauen der Erwachsenen und dem Nicht-Verstehen-Können des Kindes. Durch die Augen der fünfjährigen Protagonistin erleben wir die Welt eines Bergdorfes in den 90er Jahren. Während die Mutter als Bildhauerin ihre Aufmerksamkeit in erster Linie der Kunst widmet, verliert sich der Vater in seiner Arbeit als Biologe. Das Kind ist oft auf sich allein gestellt. Zuflucht findet es beim Nachbarn Ege, einem verschrobenen Medientheoretiker. Dort stösst es auf einen Engel, mit dem sich das sonst stille Kind oft unterhält. Erst über die traumartigen Dialoge erfahren wir, was sich der Sprache zu entziehen scheint. Zart und kraftvoll zugleich erzählt die Schweizer Autorin von prekären Fassaden und lässt sie allmählich bröckeln. Mit literarischem Geschick erhält das Unausgesprochene eine Form.

Sarah Elena Müller, geboren 1990 in Amden, lebt heute in Bern. Sie arbeitet als multimediale Hörspiel- und Theaterautorin, Kolumnistin und Musikerin. Ihr Debütroman
«Bild ohne Mädchen» erschien 2023 und war für den Schweizer Buchpreis nominiert.

04.03.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

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Daniela Dröscher – Lügen über meine Mutter

Eingeführt von Adriana Rey 

Das Problem, das die Ehe der Eltern und damit auch die Kindheit der Ich-Erzählerin
Ela prägt, ist simpel – zumindest, wenn man Elas Vater glaubt: Die Mutter ist zu
dick. In diesem apodiktischen Urteil liegt Vaters Rechtfertigung, seine Frau ständig
zu drangsalieren, und zugleich die Erklärung für alles, was in seinem eigenen
Leben misslingt. Ela ist der Situation ausgeliefert, schwankt zwischen Liebe für die
Mutter, einer durchaus starken und bewundernswerten Frau, und der Übernahme
des kritischen Blicks des Vaters. Reflektieren und einordnen kann das alles erst die
erwachsene, soziologisch und feministisch geschulte Tochter, die der kindlichen
Erzählstimme in kurzen Zwischenkapiteln zur Seite gestellt wird.
Daniela Dröscher setzt in dieser «in vielerlei Hinsicht absolut fiktive[n] Geschichte»
der Mutter ein literarisches Denkmal und lässt ihre Leser:innen über patriarchale
Strukturen, gesellschaftliche Zuschreibungen und Schönheitsideale nachdenken.

Daniela Dröscher, geboren 1977, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, lebt in Berlin.
Sie wurde unter anderem mit dem Anna-Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des
Deutschen Literaturfonds sowie dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet. «Lügen
über meine Mutter», ihr dritter Roman, stand 2022 auf der Shortlist des Deutschen
Buchpreises.

08.04.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

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Dana Vowinckel – Gewässer im Ziplock

Eingeführt von Andrea Weber

Margarita, eine fünfzehnjährige deutsche Jüdin, die die Ferien bei den Grosseltern in Chicago verbringt, Avi, ihr alleinerziehender Vater, der in Berlin als Kantor in der Synagoge arbeitet, und Marsha, die Mutter, eine amerikanische Jüdin, die ihre Tochter im Kleinkindalter verlassen hat und als Sprachwissenschaftlerin in Jerusalem lebt – Dana Vowinckel zeichnet in ihrem Debütroman «Gewässer im Ziplock» eine Familie, die nicht nur wegen den unterschiedlichen Lebensorten zerrissen ist. Warum die Mutter ausgerechnet jetzt Margarita kennenlernen will und zu sich nach Israel einlädt, kann die Jugendliche nicht verstehen. Abwechselnd aus der Perspektive von Margarita und dem Vater Avi nähert man sich unterschiedlichen Erklärungen dafür, warum diese Familienbande nicht gehalten hat, und pendelt von jugendlichen Küssen am Strand in Tel Aviv, Demonstrationen gegen die Justizreform der aktuellen Regierung und der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, zum Gebetsgesang am Schabbat in der Berliner Synagoge und der unter dem Baseballcap versteckten Kippa des Vaters bei ostfriesischen
Strandspaziergängen.

Dana Vowinckel wurde 1996 in Berlin geboren und studierte Linguistik und Literaturwissenschaft in Berlin, Toulouse und Cambridge. Beim Ingeborg-Bachmann-
Wettbewerb 2021 wurde sie für einen Auszug aus «Gewässer im Ziplock» mit dem
Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet. Dana Vowinckel lebt in Berlin.

17.06.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

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Daniel Kampa, der Nobelpreisverleger

Eingeführt von Barbara Tribelhorn

Er ist einer der Grossen des deutschen Verlagswesens: Daniel Kampa. Mehr als
20 Jahre war er bei Diogenes, ab 2004 in der Geschäftsleitung des Zürcher Verlags,
bevor er 2013 Verleger bei Hoffmann und Campe wurde. 2018 das völlig verrückte
Unterfangen: Er gründete einen eigenen Verlag. Mit dem Herbstprogramm 2018
kam der Donnerschlag: Olga Tokarczuk, das Flaggschiff des jungen Verlags, erhielt
den Literaturnobelpreis. Dazu sagt er lapidar: «1200 Seiten! Das bringt einen kleinen
Verlag an die Grenze. Allein für das Papier haben wir 12’000 Euro vorab zahlen
müssen. Aber umgekehrt kann man mit einem kleinen Verlag etwas Verrücktes machen.
» So kam es also, dass der Kampa Verlag in aller Munde ist.

Wir fühlen dem genialsten Verleger dieser Tage auf den Zahn: Was braucht es, um
erfolgreich zu verlegen? Wie kommt man an grosse Namen, wie kalkuliert man ein
Buch? Wer übersetzt es, wer sucht das Cover aus, was macht man eigentlich an einer
Buchmesse?

03.06.2024

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder