Tabea Steiner – Immer zwei und zwei

Eingeführt von Andrea Weber

Nachdem Tabea Steiner in ihrem Debüt «Balg» mit ihren Figuren, dem verwahrlosten Kind Timon und dem ehemaligen Lehrer Valentin, das einengende Leben in einer Dorfgemeinschaft gezeichnet hat, dringt sie in ihrem zweiten Roman «Immer zwei und zwei» in die Tiefen einer Glaubensgemeinschaft ein. Die Protagonistin Natali lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in der heilen Welt einer religiösen Gruppierung. Doch die klaren Regeln und Strukturen, die normalerweise Halt geben sollten, schnüren ihr zunehmend die Luft zum Leben ab. Nur als Bildhauerin in ihrem Atelier ist sie noch sie selbst. Ihre Aussenkontakte zeigen ihr aber einen anderen Ausschnitt der Welt, der auch ihren Töchtern nicht verborgen bleiben soll. Ein schwieriger Weg in die Selbstbestimmung beginnt.


Tabea Steiner, Jahrgang 1981, ist auf einem Bauernhof in der Nähe des Bodensees aufgewachsen und hat Germanistik und Geschichte studiert. Sie hat das Thuner Literaturfestival Literaare initiiert, ist Mitorganisatorin des Berner Lesefestes Aprillen und war bis 2022 Mitglied der Jury der Schweizer Literaturpreise. 2019 erschien ihr erster Roman «Balg», der für den Schweizer Buchpreis nominiert war. Die Essay-Auswahl «Provinces» erschien 2022 bei Stranger Press. Tabea Steiner lebt und arbeitet in Zürich.

15.05.2023

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Joel Bedetti – Lärmparade

Eingeführt von Claudio Notz

Mit seinem Erstling ist Joel Bedetti ein Wurf geglückt: In seinem Roman erzählt er, wie Janosch und Peter mit ihrer Leidenschaft, der Musik, durchstarten wollen. Sie nehmen dafür viel auf sich, setzen alles auf diese Karte. Mit ihrer Band Noise Parade ziehen sie von Zürich nach Glasgow, wo sie eine aktive Musikszene vorfinden und alles dafür geben, an einen Plattenvertrag zu kommen. Jugendliche Naivität und Grössenwahn treiben die Protagonisten in ihrem kreativen Prozess an, lähmen diesen aber auch immer wieder, genauso wie die Freundschaft der beiden sich intensiviert und gleichzeitig immer wieder an ihren Ambitionen zu zerbrechen droht. «Lärmparade» ist ein atemlos erzählter Entwicklungsroman, der den Geist der 2000er genau trifft: «Bedetti beschreibt präzis das jugendliche Lebensgefühl in den Nullerjahren.» (NZZ am Sonntag) 

Joel Bedetti, 1984 in Bern geboren, lebt in Zürich. Er wollte als Teenager Rockstar werden, studierte Geschichte und Ethnologie und schrieb als freier Journalist unter anderem für die NZZ am Sonntag und Das Magazin. 2012 gewann er den Zürcher Journalistenpreis in der Kategorie Nachwuchs. 

05.09.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Dinçer Güçyeter – Mein Prinz, ich bin das Ghetto

Eingeführt von Ruth Loosli

Dinçer Güçyeter hat einen radikal autobiographischen Gedichtband geschrieben und herausgegeben im von ihm gegründeten Elif-Verlag, den er quersubventioniert durch seine Arbeit als Stapelfahrer. Kann das gut gehen? Es kann: Er gewinnt damit 2022 den renommierten Peter Huchel-Preis. Vor ihm waren Marcel Beyer, Friederike Mayröcker und viele mehr. Was macht seine Lyrik so bemerkenswert? Es sei die «expressionistische Sprachwucht und feinsinnige Ambivalenz», meint die Jury.  

«Kind, das Märchen hängt hinter der Tür / sei vorsichtig / verbrenne dir nicht die Finger.» Wer die Gedichte, die zum Teil wie Kurzprosatexte daherkommen, liest, riskiert sehr wohl, sich die Finger zu verbrennen. Entgeistert starrt man auf Szenen, die man sich nie hätte ausmalen wollen und die der Dichter in Worte zu fassen vermag, denen man sich vielleicht lieber entziehen würde. Sie sprechen von Erfahrungen, die für so Viele weltweit Wirklichkeit geworden sind. Hören wir ihnen zu. Der Dichter hat etwas zu erzählen. 

Dinçer Güçyeter, geboren 1979 in Nettetal (D), ist Lyriker, Verleger, Regisseur und Schauspieler. Von 1996 bis 2000 machte er eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. 2011 gründete er den Elif-Verlag, der sich auf Lyrik in deutscher und türkischer Sprache spezialisiert. Güçyeter ist Vater von zwei Kindern und lebt in Nettetal. 

19.9.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Julia Schoch – Das Vorkommnis

Eingeführt von Evelyn Schertler Kaufmann 

Eine erschütternde Erfahrung im eigenen Leben – wie ein Schuss, dicht am Ohr: Da taucht ein Mensch auf, und das ganze Leben ist verändert. Eine Halbschwester, die sagt, es gebe einen gemeinsamen Vater. Die flüchtige Begegnung löst eine Welle von Emotionen aus. Fragen drängen sich auf, über Ehe und Mutterschaft, über Adoption und Geheimnisse, über die Wahrheit an sich. Julia Schoch fabuliert eine fesselnde Liebesgeschichte und zieht uns hinein in den Strudel ungeheuerlicher Alltäglichkeit. Aus Erinnerungsfragmenten entwickelt sie ein fein ziseliertes Lebensbild, in dem Individuum und Gesellschaft scharfe Konturen bekommen. Gleichsam in der Nachfolge Christa Wolfs stehend, liegt die ungemeine Kraft dieses Romans in der Verdichtung von Sehnsüchten und Verlorenheiten, im Lenken des Blickes auf die kulturellen Wurzeln und unsere politisch-geschichtlichen Heimatlosigkeiten. «Julia Schoch ist eine Meisterin darin, mit simplen Sätzen einen tiefen seelischen Schwindel zu beschreiben und auch beim Leser zu erzeugen.» (R. Kämmerlings, Die Welt) 

Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow (DDR) geboren, aufgewachsen in Mecklenburg, Studium der Germanistik und Romanistik in Potsdam, Montpellier und Bukarest. Sie lebt heute als freie Schriftstellerin mit ihrer Familie in Potsdam. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung 2022. Mit ihrem Roman «Schöne Seelen und Komplizen» stand sie – wie schon mit ihrem für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Roman «Mit der Geschwindigkeit des Sommers» auf Platz 1 der SWR-Bestenliste. 

03.10.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Alain Claude Sulzer – Doppelleben (Zürich liest)

Moderiert von Prof. Dr. Philipp Theisohn, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Zürich

Der Prix Goncourt, der alljährlich im November für den besten französischsprachigen Roman vergeben wird, gilt als ältester und bedeutendster Literaturpreis Frankreichs. Benannt wurde der Preis nach den Schriftsteller-Brüdern Edmond und Jules de Goncourt. Die Leben der beiden Brüder stehen nun im Zentrum von Alain Claude Sulzers neuem Roman. Sie verkehrten mit Flaubert, Zola und anderen Künstlern im Palais der Cousine des Kaisers, und sie teilten alles: das Haus, die Gedanken, die Arbeit, die Geliebte. Mit ihnen, aber weitgehend übersehen von den Gebrüdern, lebt Rose, ihre Haushälterin: Sie durchlebt unbemerkt existenzielle Dramen. Ein packendes Epochengemälde in Lebensläufen, wie sie gegensätzlicher kaum sein können. 

Alain Claude Sulzer, 1953 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass. 

31.10.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Dana Grigorcea – Die nicht sterben

Eingeführt von Adriana Rey

Nach Abschluss ihres Kunststudiums reist die Ich-Erzählerin in die Walachei zu ihrer Grosstante, in deren Villa in B. sie viele unbeschwerte Sommer verbracht hat. Doch der Ort B. ist im Niedergang und wird bald zum Schauplatz seltsamer Ereignisse: Auf einen tödlichen Unfall folgt die Entdeckung der übel zugerichteten Leiche Traians, des Jugendfreundes der Erzählerin – und dies ausgerechnet in einer Gruft, die als jene Draculas identifiziert wird. Statt den Mord an Traian aufzuklären schlachten die regierenden Lokalmächte den Grabfund für billigen Vampirtourismus aus. Was bleibt da der Erzählerin anderes übrig, als zur «Rächerin der Gerechten» zu werden?  

«Die nicht sterben» erzählt von der fiktiven Figur des Dracula und dessen historischem Vorbild, von der kommunistischen Vergangenheit Rumäniens und ihrem Erbe in der Gegenwart, wo die Sehnsucht nach einer harten Hand, die Ordnung schafft, noch immer fortlebt. Die mäandernde Erzählweise und das augenzwinkernde Spiel mit der Leserschaft machen diesen dichten und anspielungsreichen Roman zu einem fulminanten Lesevergnügen. 

Dana Grigorcea, geboren 1979 in Bukarest, ist Journalistin, Verlegerin und Autorin mehrerer Romane und Kinderbücher. Für «Die nicht sterben», 2021 nominiert für den deutschen Buchpreis, erhielt sie 2022 einen der Schweizer Literaturpreise des Bundesamtes für Kultur. 

07.11.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Olivia El Sayed – flowery wordis

Im Moment sind leider keine Reservationen mehr möglich. Sollten wieder Tickets frei werden, sind diese an der Abendkasse erhältlich.

Eingeführt von Barbara Tribelhorn

Olivia El Sayeds Debut-Programm ist wie das Leben selbst: Ein kurzweiliges, bittersüsses Vergnügen. In diesem Fall zusammengesetzt aus den detailreichen Gedanken einer schlaflosen Frau, die ihr Publikum auf einen Streifzug durch ein paar zunächst fremde Leben mitnimmt: Witzig, unvorhersehbar und nichts, was man verpassen möchte. Olivia hat eine ganz spezielle und eigene Art, eine Geschichte zu erzählen – sei es ihre Familiengeschichte in Pfungen, Kairo und Zürich, die eigenwilligen Wortkreationen ihres ägyptischen Vaters, ein herzhaftes Lachen oder das Vermissen eines fremden Menschen – all das wird der Zuhörerin, dem Zuhörer nach diesem Abend in Erinnerung bleiben. 

Olivia El Sayed, geboren 1981 in Winterthur, hat schon alles probiert: Radioredaktion, Agentur, Musiklabel. Nebenberuflich studierte sie einen Bachelor lang Französisch und Deutsch mit Fokus Literatur und Philosophie. Im Moment ist sie schweizweit mit ihrem Debut Solo-Programm flowery wordis unterwegs und veröffentlicht in der NZZ am Sonntag wöchentlich ein neues Kapitel ihres Fortsetzungsromans. 

21.11.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Tickets CHF 20.- / CHF 10.- mit Legi oder Kultur-Legi / gratis für Mitglieder

Alois Hotschnig – Der Silberfuchs meiner Mutter

Eingeführt von HansJoerg Diener

Wie es war und wie es hätte sein können: Die einen mögen es Zufall, die anderen mögen es Magie nennen. Im Dezember 2016 sah Alois Hotschnig im Fernsehen eine Sendung über ehemalige «Lebensborn»-Kinder. Der aus Kärnten stammende Schriftsteller hatte sich bereits in der Vergangenheit intensiv mit dem 1935 von Heinrich Himmler gegründeten Verein auseinandergesetzt, der bis Kriegsende unzählige schwangere Frauen, die von Soldaten der Wehrmacht oder Mitgliedern der SS ein Kind erwarteten, aus den besetzten Gebieten ins Deutsche Reich holte, um ihrer «arischen» Kinder habhaft zu werden. Von der Lebensgeschichte eines Mannes, der 1942 durch «Lebensborn» im Bauch seiner norwegischen Mutter von Kirkenes nach Vorarlberg kam, um wenige Monate später in Hohenems zur Welt zu kommen, war Hotschnig derart berührt, dass er diesem einen Brief, versehen mit der Frage schrieb, ob er sich vorstellen könne, die Hauptfigur in seinem nächsten Buch zu werden. Fünf Jahre nach der ersten Kontaktaufnahme ist nun im Verlag Kiepenheuer & Witsch der Roman «Der Silberfuchs meiner Mutter» erschienen.

Alois Hotschnig, wurde 1959 in Kärnten geboren und lebt heute als freier Autor in Innsbruck. 1992 erschien sein Roman «Leonardos Hände», 2002 folgte «Ludwigs Zimmer». Neben Romanen verfasste er auch Theaterstücke, Hörspiele und mehrere Erzählbände, darunter «Im Sitzen läuft es sich besser davon» (2009). Für seine Bücher wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Anna-Seghers-Preis sowie dem Erich-Fried-Preis. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

27.6.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Yael Inokai – Ein simpler Eingriff

Eingeführt von Adriana Rey

Meret ist Krankenschwester. Die Klinik ist ihr Zuhause, ihre Uniform trägt sie mit Stolz, schließlich kennt die Menschen in ihrem Leiden niemand so gut wie sie. Bis eines Tages ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der Frauen von psychischen Leiden befreien soll. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach fängt die Heilung an. Daran hält Meret fest, auch wenn ihr langsam erste Zweifel kommen. «Ein simpler Eingriff» ist nicht nur die Geschichte einer Frau in der Nachkriegszeit, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an die Macht der Medizin verliert. Es ist auch die intensive Heraufbeschwörung einer Liebe mit ganz eigenen Gesetzen. Denn Meret verliebt sich in eine andere Krankenschwester. Und überschreitet damit eine unsichtbare Grenze.

Yael Inokai, geboren 1989 in Basel, studierte Philosophie in Basel und Wien, anschließend Drehbuch und Dramaturgie in Berlin. 2012 erschien ihr Debütroman «Storchenbiss». Für ihren zweiten Roman «Mahlstrom» wurde sie mit dem Schweizer Literaturpreis 2018 ausgezeichnet. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift PS: Politisch Schreiben und lebt in Berlin.

28.3.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur

Ariane Koch – Die Aufdrängung

Eingeführt von Lisa Briner

Als sie den Gast mit seinen Koffern in der Kleinstadt auftauchen sieht, lädt ihn die Ich-Erzählerin in Ariane Kochs Roman zu sich ein. Ohnehin bewohnt sie nur neun Zimmer ihres viel zu grossen Hauses, da kann er das zehnte haben. Zumindest solange er sich an die Regeln hält, die sie ihm auferlegt. Doch bald schon entwickelt der Gast ein Eigenleben, erledigt seine Botengänge nicht mehr, feiert mit Freunden Partys im Haus. Die Erzählerin ist gezwungen, die Regeln in einem Kodex niederzuschreiben, der nie fertig wird – wie auch der Gast und die Gastgeberin nie miteinander fertig werden: Sie belauern, bedrängen und beglücken einander, ohne je feste Konturen anzunehmen. Bis der Gast eines Tages abreist.

Wie ein Traum, dessen Sog man sich nicht entziehen kann, liest sich der Debütroman der jungen Basler Theaterautorin Ariane Koch. In präzise komponierten Miniaturen entfaltet sie eigenständige, ebenso rätselhafte wie faszinierende Bilder, die von fern an Kafka erinnern.

Ariane Koch, geboren 1988, studierte bildende Kunst und Interdisziplinarität. Sie schreibt Theatertexte, Hörspiele und Prosa, oft zusammen mit anderen Theater- und Kunstschaffenden. «Die Aufdrängung» wurde mit dem «aspekte»-Literaturpreis als bestes deutschsprachiges Prosadebüt 2021 ausgezeichnet.

23.5.2022

19.30 Uhr

Coalmine Café, Turnerstrasse 1, 8401 Winterthur